50 Jahre Olympia-Attentat München, Gedenken an Anton Fliegerbauer

Csm Familie Fliegerbauer Niedermeier 2011 - Zugeschnittenretuschiert Usm 20211229 _c5de3e0ad4


50 Jahre Olympia-Attentat München

Februar: ANTON FLIEGERBAUER

Hier sehen Sie zwölf Bilder der Veranstaltung.
Danke an alle Teilnehmer/-innen und Beteiligte.

Es ist der 5. September 1972, der elfte Tag der Olympischen Spiele in München. Diese XX. Olympischen Spiele der Neuzeit sollen in die Geschichte eingehen, als die heiteren Spiele, eine offene Veranstaltung, die den Menschen in aller Welt das Bild eines anderen Deutschlands vermittelt. Sinnbild dieser Transparenz ist das Dach des neu entstandenen Olympiastadions. Eine neuartige Konstruktion, architektonisch gewagt, durchscheinend, radikal modern und fast schwebend über den Sportanlagen, die in eine parkartige Landschaftsarchitektur eingebettet wurden. Das alles ist ein bewusstes Kontrastprogramm zu den Spielen von Berlin 1936 mit ihrem Gigantismus und der Inszenierung des NS-Staats.

Dieser Traum eines neuen, eines anderen Deutschlands findet seine Entsprechung auch im Sicherheitskonzept der Spiele. Bewusst lässig soll es sein, bewaffnete Polizisten sollen die Besucher aus aller Welt nach Möglichkeit überhaupt nicht zu Gesicht bekommen. Stattdessen patrouillieren auf dem Gelände des Olympischen Dorfs unbewaffnete Beamte in sportlichen himmelblauen Anzügen. Zehn Tage funktioniert dieses Konzept und alle Welt zeigt sich begeistert von dem bunten Treiben in München – bis zum frühen Morgen jenes schicksalhaften elften Tages.

Gegen 4:10Uhr überklettern acht schwer bewaffnete Terroristen der radikal-palästinensischen Organisation „Schwarzer September“ den Zaun des Olympischen Dorfes, sie dringen in die Unterkünfte der israelischen Olympiamannschaft ein und nehmen insgesamt elf Sportler und Funktionäre als Geiseln, zwei davon, der Trainer Ringer Moshe Weinberg und der Gewichtheber Yossef Romano werden noch in München tödlich verwundet.

Die Terroristen fordern die Freilassung von mehr als 200 Palästinenser, die sich in israelischer Haft befinden. Sollten diese nicht freigelassen werden, würden sie die verbliebenen Geiseln erschießen – so die Drohung die ihr Anführer, der sich selbst Issa nennt, der eintreffenden Polizei übergibt. Vor den Augen der schockierten Weltöffentlichkeit entspinnt sich nun ein Drama, das sich über den kompletten Tag hinzieht. Mehrere Ultimaten verstreichen und werden schließlich verlängert. Bundesinnenminister Hans-Dietrich Genscher, sein bayerischer Amtskollege Bruno Merk, der Bürgermeister des olympischen Dorfes Walther Tröger sowie Münchens Polizeipräsident Dr. Manfred Schreiber versuchen immer wieder mit den Geiselnehmern zu verhandeln, einen echten Durchbruch erzielen sie dabei nicht. Auch die Pläne der Polizei zur Befreiung der Geiseln müssen aufgegeben werden, das Risiko ist stets zu hoch, auch weil speziell ausgebildete Beamte nicht vorhanden sind.

Am späten Nachmittag, gegen 17:20Uhr wechseln die Terroristen schließlich ihre Strategie - Sie wollen nun mit den Geiseln in ein arabisches Land ausgeflogen werden. Nun sehen die Verantwortlichen die Chance zum Zugriff gekommen. Auf dem für die olympischen Spiele „zivilisierten“ Militärflughafen in Fürstenfeldbruck sollen die Attentäter überwältigt und die Geiseln befreit werden. Während des hastig vorbereiten Befreiungsversuches vor Ort, kommt es dann aber zur Katastrophe. Nach einer wilden Schießerei erschießen die Entführer ihre Geiseln, in einem der beiden Hubschrauber detoniert eine Handgranate der Geiselnehmer. Die Bilder dieses ausgebrannten Hubschraubers werden zu einem ikonischen Foto, zum Sinnbild für den Schrecken und das sinnlose Streben. Die Bilanz des Einsatzes ist verheerend: Alle verbliebenen neun Geiseln sowie ein bayerischer Polizist, Anton Fliegerbauer, sterben bei dem Einsatz. Von den acht Geiselnehmern werden drei zwar lebend gefasst. Aber auch diese drei werden kurze Zeit später durch eine weitere Flugzeugentführung freigepresst und nach Libyen überstellt, wo sie wie Helden empfangen werden.

Am Ende wird somit nie jemand für die Ereignisse jenes 5. Septembers 1972 vor Gericht gestellt. In den folgenden Jahren Mauern die Behörden – Polizei und Staat weisen jede Mitschuld von sich, die Existenz von Akten wird verläugnet und die Angehörigen bewusst im Dunklen gelassen. Durch den fehlenden Willen der Behörden sich ernsthaft mit ihrem Versagen und ihrer Mitschuld auseinanderzusetzen bleibt das Olympia-Attentat ein Ereignis, das viele offene Wunden hinterlassen hat. Fünfzig Jahre lang wollte niemand einen Fehler gemacht haben! Fünfzig Jahre lang wollte niemand die Verantwortung übernehmen. Fünfzig Jahre lang hat sich niemand bei den Angehörigen für die Ereignisse entschuldigt.

Eine lange Zeit, allen voran natürlich für die Angehörigen der Opfer. Erst in diesem Jahr, im Rahmen des 50. Jahrestages hat die Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch den Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier seine Mitschuld offiziell anerkannt, sich bei den Angehörigen entschuldigt und den Hinterbliebenen eine angemessene finanzielle Entschädigung gezahlt. Hierzu bedurfte es aber eines jahrzehntelangen Kampfes der Familien der Opfer. Zwar gab es auch zuvor schon kleinere Zahlungen an die Hinterbliebenen, diese wurde aber als humanitäre Unterstützung deklariert um ein offizielles Schuldeingeständnis zu vermeiden.

Auch auf Seiten der beteiligten Sicherheitskräfte vor Ort gab es Opfer. Viele konnten das Erlebte nie richtig verarbeiten. Hilfsangebote seitens des Dienstherrn gab es in den 1970er noch nicht. Egal ob bei der Einsatzplanung, der Einsatztaktik, der Ausbildung oder der Betreuung der Kräfte, die Polizei als Organisation hat aus ihrem damaligen Versagen viele Schlüsse gezogen, die den Umgang mit Terrorismus bis in die heutige Zeit nachhaltig prägen. München war – anders als in manchen Quellen immer wieder behauptet – nicht der erste große Terroranschlag der deutschen Geschichte, aber der mit der größten öffentlichen Wirkung. Ein Wendepunkt, der einen Wandel im Umgang des Staates mit Terrorismus eingeleitet hat.

In diesem Jahr 2022 jähren sich nun die wunderbar heiteren Spiele von München und der schreckliche Anschlag zum 50. Mal: Das sportliche Großereignis war in München fast omnipräsent. Der Höhepunkt der Olympia-Nostalgie wurde im August mit der Ausrichtung der European Championships erreicht. Unter dem Motto „back to the roofs“ blitzte, fast wie damals, der Geist der heiteren, weltoffenen und toleranten Spiele nochmals auf. Da den Spielen vor 50 Jahren der glanzvolle Schlusspunkt genommen wurde, schließt sich vielleicht auch damit ein Kreis. Der ein oder andere mag in der Ausrichtung auch einen Fingerzeig dahin erkannt haben, dass München und die Olympischen Spiele es vielleicht doch nochmal mit einander versuchen.

Parallel zum sportlich-nostalgischen Erinnern und schwelgen im Charme des aus heutiger Sicht kultigen Retro-Designs von Otl Aicher, wurde aber eben auch den Opfern des Terroranschlages gedacht. Hier beteiligte sich auch der Fachbereich Polizei der HföD, gemeinsam mit vielen weiteren Institutionen aus München und Fürstenfeldbruck, am Gedenken an die Opfer des Anschlages. Unter dem Schirm des Gedenkprojektes „12 Monate – 12 Namen“ gab es in jedem Monat des Jahres 2022 Interventionen im öffentlichen Raum, wie Installationen, Ausstellungen und weiteren Veranstaltungen. Konzipiert und koordiniert wird das Erinnerungsprojekt vom Jüdischen Museum München in Zusammenarbeit mit dem NS-Dokumentationszentrum und dem Generalkonsulat des Staates Israel.

Insbesondere der Monat Februar stand dabei aus Sicht des Fachbereiches Polizei im Fokus des Gedenkens. In diesem Monat wurde, gemeinsam mit dem Polizeipräsidium München, an den getöteten Kollegen Anton Fliegerbauer erinnert. So wurde zwei Wochen lang ein Foto von Anton Fliegerbauer an die Fassade seines Präsidiums in der Ettstraße in München projiziert und Informationen zu seinem Leben und seinem tragischen Tod für interessierte Bürgerinnen und Bürger und Mitarbeitende zur Verfügung gestellt.

In einem festlichen Rahmen fand schließlich im Churfürstensaal des Fachbereichs Polizei in Fürstenfeldbruck am 22. Februar 2022 eine gemeinsame Gedenkveranstaltung vor ca. 70 geladenen Gästen statt. Zu diesen gehörten insbesondere die Familie des ermordeten Kollegen sowie Vertreter aus der lokalen Politik und Spitzenvertreter der polizeilichen Verbände sowie die Generalkonsulin des Staates Israel. Fachbereichsleiter Herr Ingbert Hoffmann erinnerte bei dieser Gelegenheit an die tragischen Ereignisse jener Nacht. Auch der Landrat des Landkreises Fürstenfeldbruck Thomas Karmasin, die Vorsitzende des historischen Vereins FFB Ulrike Bergheim sowie der Münchner Polizeipräsident Thomas Hampel erinnerten bei dieser Gelegenheit nochmals ausführlich an die Ereignisse von damals, die Wichtigkeit des Gedenkens und die wertvollen Lehren für die Gegenwart und Zukunft.

Im Rahmen des Gedenkjahres standen noch viele weitere Veranstaltungen der interessierten Öffentlichkeit offen. Der Fachbereich Polizei widmete dem Thema zusätzlich in diesem Jahr einen Themenschwerpunkt für seine Studierenden. Im vergangenen Sommersemester dieses Jahrs gab es die Möglichkeit zur Teilnahme an einem moderierten Gespräch mit einem Ruhestandsbeamten des Polizeipräsidiums München, der damals als noch sehr junger Polizeibeamter am Fliegerhorst Fürstenfeldbruck eingesetzt war. Dieser berichte den jungen Kollegen von den gleichermaßen dramatischen, wie traumatischen Geschehnissen dieser Nacht. Ferner stand ein gemeinsamer Besuch in der Ausstellung des Landratsamtes sowie eine gemeinsame Filmvorführung auf dem Programm.

Auch im aktuellen Wintersemester setzte der Fachbereich Polizei sein Angebot für die Studierenden fort. Hierbei stand ein Besuch der neuen Sonderausstellung im Stadtmuseum Fürstenfeldbruck, gemeinsam mit einem weiteren Zeitzeugen, sowie ein weiter Themenabend mit Film und Diskussion auf dem Programm.

Die Wunden der Vergangenheit lassen sich mit diesem Engagement zwar nicht heilen - den Ermordeten „einen Namen geben“ trägt aber dazu bei, ihr Schicksal nicht in Vergessenheit geraten zu lassen. Als Mahnung und stete Verantwortung, gerade für die jungen angehenden Kommissare, dass sich dieses tragische Stück der Geschichte des deutschen Staates und der Bayerischen Polizei niemals wiederholen darf.